20160227

STADTENTWICKLUNG: Darmstadt 2030

Langer Lui
Die Darmstädter Mathildenhöhe wurde am 24. Juli 2021 zum Welterbe erklärt, doch in Darmstadt herrscht an anderen Orten akuter Handlungsbedarf. Die Liste auf der "Baustelle" Darmstadt ist lang und betrifft gestalterische Fragen, Entwicklungen in der Architektur, aber auch wirtschaftspolitische Themen.

Beispiel Darmstädter Innenstadt: Der Marienplatz ist eine städtebauliche Zumutung und wartet auf eine ansprechende Umgestaltung. Nachdem endlich 2024 die Planungen vorgestellt wurden, muss zügig mit der Umsetzung begonnen werden. Die neue Glaskonstruktion des TU Pützerturms ist eine unbefriedigende Lösung und erinnert mit dem Turmabschluss stark an den Beton-Brutalismusbau der St. Agnes Kirche in Berlin.  Die 2021 erbaute Brücke zum Gewerbegebiet West präsentiert sich als kolossales, überteuertes Achterbahn-Ungetüm. Der "Mengler-Bau" auf dem Friedensplatz braucht ein langfristiges Nutzungskonzept. Der Friedensplatz selbst präsentiert sich nach seiner Umgestaltung 2020 als triste Betonwüste. In der Schleiermacherstrasse - eine der wenigen urbanen Straßen in Darmstadt - müsste unbedingt Stadtreparatur betrieben werden und die Baulücken mit kleinteiligen Stadthäusern gefüllt werden. Auch die ehemalige großherzliche Landwirtschaftskammer wartet auf ihre weitere Nutzung.

Mehr als peinlich ist der Zustand des Nord- und Südbahnhofs. Als Entree für Besucher der Wissenschafts- und Digitalstadt und des gefeierten Zukunftsstandortes Nummer Eins Darmstadt ist der gammelige Zustand der besagten Bahnhöfe ein echtes Armutszeugnis. Des Weiteren scheint der verzweifelte Kampf um einen IC-Halt im Zuge des Streckenausbaus, eine unendliche Geschichte zu sein. Auch mit dem Auto sieht es nicht besser aus - fehlende Umgehungsstraßen führen zum täglichen Verkehrsinfarkt - besonders im Berufsverkehr. Der Neubau der Rheinbrücke scheint zu einem Jahrhundertprojekt mit jahrelanger Dauerbaustelle und Umleitungen zu werden. Neben allen ökonomischen Herausforderungen kommt noch der akute Mangel von bezahlbaren Wohnraum, insbesondere für junge Familien hinzu: Es wird schlichtweg zu wenig im unteren Preissegment gebaut. Man kann nur hoffen, dass Darmstadt trotz seiner Finanzprobleme die städtebaulichen Herausforderungen in der Zukunft bewältigen kann.

Ob als Wissenschaftsstadt oder als "digitale Stadt": Darmstadt muss sein vorhandenes Potential besser nutzen. Hier finden sich einige Inspirationsquellen für die zukünftige Stadtgestaltung, die Standortvermarktung und für das Stadtmarketing:

1. Weiterentwicklung der Mathildenhöhe

Das Jugendstilensemble Mathildenhöhe sollte als international vernetztes, interdisziplinäres Designzentrum weiterentwickelt werden. Als multikulturelle "Designcity" etabliert, würden sich herausragende Möglichkeiten für die Stadtvermarktung und die weitere Ansiedlung der "Kreativwirtschaft" ergeben. Die Aktivitäten des Architektursommers 2014 am Osthang der Mathildenhöhe waren ein erster Schritt für eine multiurbane Weiterentwicklung der Mathildenhöhe. Eine gute Nachricht gab es zudem 2021: Die Künstlerkolonie Mathildenhöhe wurde UNESCO Welterbe-Stätte. Und man darf auf die Weiterentwicklung gespannt sein: Für den Osthang gibt es Pläne für ein Besucherzentrum, die jetzt auch zügig umgesetzt werden sollten. 

2. Bauliche Verdichtung an der Rheinstraße
Statt der desolaten Parkplatzbrachen bietet sich die dringend benötigte Ansiedlung einer internationalen Schule, eines "Betahauses" sowie digitalnaher "Innovations Office Space Suites" (s. z.B. "The Hub", Glasgow) und kreativer Lofts nach dem Beispiel der "Kleinschen Höfe" an. Die Darmstädter Rheinstraße könnte auf den Schotterflächen in Richtung Hauptbahnhof zudem mit stadtnahen Townhouses verdichtet werden. Desweiteren wäre eine Erweiterung des gastronomischen Angebotes zur Ergänzung des fußnahen Multiplex-Kinos und zur schon bestehenden Gastronomie denkbar.

3. Belebung der Innenstadt 
Ursprünglich stand auf dem Wilhelminenplatz das historische "Neue Palais". Jetzt fehlt hier eine historisch inspirierte Blochrandbebauung gegenüber vom Staatstheater, um diesen unwirtlichen Ort neu zu strukturieren. Hier würde sich eine gastronomische Nutzung (Ergänzung zur Wilhelmspassage) als Frequenzbringer anbieten, welches weitere Kaufkraft für die City in Darmstadt bindet und der Konkurrenz auf der grünen Wiese Paroli bietet. Des Weiteren müsste in der Luisenstraße der langgestreckte, abweisende "Betonriegel" des Karstadt-Baus zur Fußgängerzone hin baulich geöffnet werden.

4. Stadtreparatur in der Altstadt
Altstadt Darmstadt Holzstraße
In der Darmstädter Altstadt sind umfangreiche stadtbildende Maßnahmen unbedingt nötig. Die derzeitige, teilweise klägliche Bebauung rund um die Stadtkirche muss dringend mit einer altstadtgerechten, kleinteiligen Bebauung z. B. Townhouses aufgewertet werden. Auch altstadtgerechte Häuser mit Mikroapartements für Berufspendler, Studenten und Berufseinsteiger wären denkbar. Dort wo jetzt teilweise Billigläden und austauschbare Ketten residieren fehlen zudem weitere Cafes, Kneipen und kleine Läden. Auch das gastronomische Angebot auf dem Marktplatz sollte weiter ausgebaut werden. 
Neben der lebhaften Krone sollte auf dem - seit Jahren brachliegenden "Saladin"-Gelände" - eine "bauliche Spange" aus Clubs und Cafes Richtung Schlosskeller entstehen. Baulich sollte der historische Jugendstilbau des ehemaligen Kaufhauses Hess (Saladin-Bau) aufgegriffen werden. Der im September 2015 von einer Fachjury gekürte Siegerentwurf entspricht in keiner Weise der exponierten Lage und trägt zudem nicht gerade zur Stadtreparatur bei. 2019 erwarb dann die TU das Gelände. In Bau ist nun ein Internationalen Begegnungs- und Servicezentrums. Nicht zuletzt müsste die Verkehrsschneise Holzstraße zurück gebaut werden und das Areal bis hin zur Teichhausstraße altstadtgerecht verdichtet werden.

5. Instandhaltung öffentlicher Raum und Grünanlagen
Instandsetzung der Brunnen (siehe auch UWIGA-Beschlussvorlage vom 4.08.2006) und Denkmäler, durchgängige Anti-Graffiti-Beschichtungen für öffentliche Gebäude und private Gebäude (s. z.B. Frankfurter Straße am Herrngarten und Herrngartenmauer Schlossgartenstraße) sowie eine stärkere Präsenz und Überwachung des zunehmend vermüllten Herrngarten durch Parkwächter sind dringend geboten. Ziel muss es sein, die zunehmende städtebauliche Verwahrlosung bis hin zum Vandalismus an Denkmälern sowie mutwillige Umweltzerstörungen zu verhindern. Darmstadt macht leider vielerorts einen gammeligen, dreckigen und ungepflegten Eindruck mit vernachlässigten Fassaden und Gärten wie z. B. den teilweise desaströsen Vorgartensituationen am Rhönring und auf der Mathildenhöhe. Die Instandsetzung von desolaten und heruntergekommenen Gebäudefassaden sollte mit einem Fassadenrenovierungsprogramm gefördert werden. Der Woog sollte mit einem "grünen Band" über die "Schotterparkplätze" am Jugendstilbad und der Altstadtgrünanlage hinweg mit der Grünanlage am Schlossgraben zur City hin verbunden werden.

6. Mitbestimmung ermöglichen
Mehr Bürgerbeteiligung durch Einrichtung von Ortsbeiräten in allen Darmstädter Stadtteilen. Etablierung von Stützpunkten für ein dezentrales Quartiersmanagement zur Förderung von Wohnen, Gewerbe und bürgerlichem Engagement.

7. Verkehrspolitik verbessern
Themen in Darmstadt sind beim Verkehr die Einrichtung und Überwachung von 30km-Zonen, Schaffung von Anwohnerparken und weiteren Einbahnstraßen in Wohngebieten, Abschaffung von unnötigen Ampeln ("mehr Kreisverkehr") und Blitzerkästen, Einrichtung von grünen Wellen im Stadtgebiet, die Senkung der Parkgebühren, der Bau einer Stadtumgehung, bessere Park & Ride-Möglichkeiten - Stichtwort "Nordbahnhof" sowie die Verbesserung der Taktung der Buslinien.

8. Zentrum für die Raumfahrt: Luft- und Weltraummuseum als Besuchermagnet
Darmstadt bitte melden! Darmstadt beherbergt das Europäische Raumflug-Kontrollzentrum ESOC und ist damit ein bedeutender Standort der Europäischen Weltraumbehörde ESA. Diese bedeutende Weltraum-Einrichtung könnte - z. B. mit der Etablierung eines Raumfahrtmuseums - ein größerer Ankerpunkt für die touristische Stadtvermarktung sein. Darmstadt ist eine der europäischen Hauptstädte der Raumfahrt. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum dieses bedeutende und interessante Merkmal der Stadt nicht ausreichend touristisch vermarktet wird. Wie es besser mit der touristischen Vermarktung geht, zeigen andere europäische Luftfahrt- und Raumfahrtstandorte: So kommen ins National Space Centre ins englische Leicester, ins Space Expo in Nordwijk/NL und in den Themenpark "Cité de léspace" in Toulouse/Frankreich jedes Jahr tausende Besucher und staunen über die erlebbare Raumfahrt-Wissenschaft. Darmstadt könnte auch der Standort für ein übergreifendes "Luft- und Weltraummuseum" sein, denn nicht nur das bedeutende Europäische Raumflugkontrollzentrum ESOC hat seinen Sitz in Darmstadt, sondern auch der geschichtsreiche August-Euler-Flugplatz - der erste Flugplatz den es in Deutschland gab. Bei der Konzeption des Museums dürfen dabei natürlich nicht die Fehler wie beim überdimensionierten und unrentablen Bremer "Space Center" gemacht werden. Darüber hinaus könnte sich Darmstadt als Gastgeber für den IAC (International Astronautical Congress) bewerben.

9. Bessere Vermarktung der Waldspirale
Das von Hundertwasser geschaffene Bauwerk "Waldspirale" in Darmstadt ist vermutlich schöner und größer als das Hundertwasser-Haus in Wien. Nur kommen zum Hundertwasser-Haus nach Wien Millionen Touristen und zur Darmstädter Waldspirale nicht einmal ein Bruchteil davon. Auch Magdeburg zeigt z. B. wie man einen Hundertwasserbau bestens vermarktet. In Darmstadt fehlt selbst zur Rast ein ebenerdiges Cafe am Hundertwasserhaus. Von einem Jugendstil-Shop wie in Riga das "Art Nouveau" kann man nur träumen. Bar, Kiosk und Cafe im Hundertwasserhaus sollten wieder vermietet werden. Der ausgetrocknete Teich wieder befüllt werden. Insgesamt gesehen muss zukünftig eine deutlich bessere Vermarktung der Waldspirale realisiert werden. Hundertwasser war seiner Zeit voraus: Bauten wie die 2006 eröffnete Nanyang Universität in Singapur mit ihrem grünen Dach und weitere zeitgenössische ökologische Bauten zeigen das. Darmstadt hätte um die Waldspirale herum ein ökologisches Vorzeigequartier mit Weltgeltung bauen können - doch das wurde leider verpasst.

10. Schaffung Wohnraum
Darmstadt wächst seit Jahren und es herrscht akuter Mangel an bezahlbaren Wohnraum. Die Fluglärmverordnung verhindert vielfach die Ausweisung neuer Wohngebiete. Wo möglich muss nachverdichtet werden und es müssen zentrumsnahe Baulücken im Stadtgebiet geschlossen werden und unnötige Leerstände unterbunden werden. Dabei müssen natürlich nachbarschaftliche, gestalterische und ökologische Aspekte beachtet werden.

11. Wirtschaftspolitik: Ansiedlung der Kreativwirtschaft forcieren
Während in anderen Städten des Rhein-Main-Gebietes riesige Gewerbegebiete aus dem Boden gestampft wurden, sind viele Darmstädter zum täglichen Pendeln gezwungen, weil Darmstadt nicht genügend Jobs bietet und neue Gewerbeflächen knapp  sind und Ansiedlungen nicht zustande kommen (s. Ikea). Hier muss eine offensive Ansiedlungspolitik, unter besonderer Förderung der Kreativwirtschaft (Cluster aus Design, Mode, Musik, Werbung, Kunst, Film und Verlage), zukünftig mehr Arbeitsplätze in Darmstadt schaffen. Einen beispielhaften Ansatz zur Förderung der Kreativwirtschaft findet man z. B. in Frankfurt am Main (s. "Roter Teppich für die Kreativen").   

20110203

Die Darmstädter ALTSTADT-Misere

Altstadt DarmstadtAls im März 1945 die amerikanischen Truppen in Darmstadt einmarschierten, war die Stadt ein einziges Trümmerfeld. Selbst die Feuerwehrleute konnten ihre eigene Feuerwache in der Kirchstraße nicht vor dem Bombenterror und dem Flammenmeer des Feuersturms schützen und standen vor Ruinen.

Darmstädter Altstadt aus dem Stadtgedächtnis gelöscht
Insgesamt wurden 457 Altstadthäuser zerstört - nur 2 Häuser blieben in der Kernaltstadt unzerstört: Die "Krone" - diese steht heute noch - und das gegenüberliegende "Fuchseck" (ehem. Metzgerei Fuchs) welches in der Nachkriegszeit unnötigerweise weggerissen wurde. Wer heute nach Spuren der verloren gegangenen Altstadt sucht, der muss lange suchen: Lediglich im Altstadtmuseum Hinkelsturm gibt es ein Altstadtmodell, das innerhalb der Öffnungszeiten besichtigt werden kann. Ansonsten ist die Altstadt fast komplett aus dem kollektiven Gedächtnis der Darmstädter ausgelöscht: Es gibt kaum noch Zeitzeugen, die die Altstadt wahrhaftig kennen und selbst Bildmaterial, vor allem aus der Zeit um 1933-1944, gibt es kaum zu sehen. So bleiben ein paar Schnappschüsse aus der Jahrhundertwende, die in den Bildbändern über das "alte Darmstadt" die Altstadt als ein altertümliches arme-Leute-Viertel zeigt, das kaum sehenswert gewesen sei.

Planloser Wiederaufbau
Doch das ist nicht mal die halbe Wahrheit. Natürlich gab es "Schmuddelecken" in der Altstadt, aber es gab in der vormals riesigen Altstadt auch einiges Sehenswerte - was die Aufbaugeneration in der Wirtschaftswunder-Euphorie gerne verdrängte. Die Planer der Nachkriegszeit wollten keine Altstadt mehr und etwas "modernes" schaffen: Heraus kamen weitgehend hässliche TU-Gebäude, zugige Freiflächen und graue, von Anpassungsarchitektur geprägte Bauten. Diese Bauten haben nichts mit der früheren Altstadt zu tun und könnte auch auf der grünen Wiese stehen. Wenn die Institute Feierabend haben, ist auf diesem zentrumsnahen Gebiet ein völlig totes Areal ohne Wohnbebauung, Handel und Gastronomie. Hinzu kommt in der Stadt der ausgebildeten Architekten und Stadtplaner die absolute Planlosigkeit: Statt die modernen Bauten im Rahmen einer einheitlichen Gestaltungssatzung zu errichten, zeigt die heutige Altstadt ein gestalterisches Durcheinander. Das teilweise mangelhaft gestaltete Areal zwischen der Holz- und der Teichhausstraße müsste unbedingt verdichtet werden und die nördliche Seite der Landgraf-Georg Straße eine geschlossene Blockrandbebauung erhalten. In der östlichen Altstadt müsste das Areal kleinteilig rund um die Insel/Niebergall-Brunnen und neben dem Pädagog (dort wo das alte Realgymnasium stand und jetzt eine Grünfläche ist) und bei der Soderstraße kleinteilig, bzw. Altstadtgerecht nachverdichtet werden. 

Geschichte und Geschichten rund um die Stadtkirche
Darmstadt bietet in seinem Kern ein unbefriedigendes, städtebauliches Quartier. In anderen Städten bildet die Altstadt die "gute Stube" - denn Zerstörtes wurde wieder aufgebaut. In Darmstadt fehlt dagegen der identitätsstiftende Altstadtflair fast gänzlich. Zumindest die Bauten rund um die Stadtkirche, insbesondere die Kirchstraße hätte man altstadtgerecht wieder aufbauen müssen. Hier spielte das Leben, hier gab es spannende Geschichten wie die um das ungelüftete Geheimnis der Einhorn-Tafel, gastronomische Raritäten wie das Gasthaus Hannibal, das Darmstädter Pfandleihhaus (die heutige Apfelweinstube im Bockshaut war früher Tresor des Pfandleihhauses) und herausragende Persönlichkeiten wie den bekannten Literaturhistoriker und Politiker Georg Gottfried Gervinus und den Jugendstilkünstler Ludwig Habich - die sogar in der altstädtischen Kirchstraße geboren wurden.

Altstadt ins Bewusstsein der Bürger zurückholen
Der etwas verschlafenen Studentenstadt Darmstadt würde eine gestalterische und gastronomische Belebung der Altstadt rund um die Stadtkirche, mit einigen historischen Nachbildungen (siehe Aufbau eines Teiles der Altstadt in Frankfurt/Main), gut tun. Die überkommende Haltung, die verlorene Altstadt ausschließlich mit tristen Bauten der Nachkriegsmoderne zu füllen, hat sich als fataler Irrweg der Stadtplanung erwiesen. Die Ungemütlichkeit der Bauten spiegelt sich oftmals auch im Gewerbemix wieder: Statt kreativer Einzelhandel, sind auch viele Ketten und "Ramschläden" in der heutigen Altstadt zu finden. Leider beschäftigt sich anscheinend auch die heimische Architektur-Fakultät nicht ausreichend mit den historischen Darmstädter Wurzeln - es fehlen die Impulse für die weitere Gestaltung. Fest steht: Die Altstadt mit ihrer Geschichte und ihren Geschichten sollte wieder einen Platz im Bewusstsein der Darmstädter Bürger finden.
Links zur historischen Kirchstraße und Umgebung: Zeitdokument Zwangsarbeit im 2. WeltkriegCastan Porzellanhandlung, Kirchstraße 5historische Einhorn-Apotheke Stadtkirche.  Eine gute Übersicht über die Geschichte der Altstadt bietet das Altstadtmuseum im Hinkelsturm. Eine kleine Altstadtchronik:
1330 Der erste Teil der Stadtmauer wird gebaut (steht heute noch)
1868 Die neugotische Stadtkapelle am Kapellplatz wird erbaut (heute Gedenkstätte)
1878/79 Das alte Realgymnasium wird erbaut (neben dem Alten Pädagog - nicht mehr erhalten)
1885 Durch Abbruch eines Häuserblocks entsteht der Platz die "Insel"
1905 Der Durchbruch der Landgraf-Georg-Straße beeinträchtigt das Altstadtgefüge
1930 Der Niebergallbrunnen mit dem Datterich von Well Habicht wird auf der Insel eingeweiht (Brunnen steht bis heute dort)
30iger Jahre Altstadtsanierungen (u.a. Freilegung Fachwerk Schlossgasse 7)
1945 Die Altstadt ist im Luftkrieg komplett zerstört

Alle Angaben ohne Gewähr.  qs

20101224

WISSENSCHAFTSSTADT Darmstadt?

Darmstadt ist wohl der unangefochtene Spitzenreiter in Hessen, wenn es um innovative Forschung geht. Die Liste der wissenschaftlichen Institutionen und Einrichtungen ist in der Tat beeindruckend: Darmstadt hält mit der Technischen Uni, drei Fraunhofer-Instituten und zahlreichen weiteren Forschungs-Einrichtungen den bundesdeutschen Spitzenplatz in der Patentdichte je 100.000 Einwohner. Kein Wunder also, dass die Hessische Landesregierung 1997 Darmstadt den Ehrentitel "Wissenschaftsstadt" verliehen hat.


Inflation der Wissenschaftsstädte
Doch es gibt ein Problem: Als eine Wissenschaftsstadt sieht sich nicht nur Darmstadt, sondern augenscheinlich nahezu alle mit technischen Fakultäten ausgestatteten Universitätsstädte. Und diese gibt es in Deutschland reichlich. Um sich irgendwie von anderen „wissenschaftsnahen“ Städten in der Standort-Vermarktung abzugrenzen, überschlagen sich deshalb die kommunalen Marketing-Fachleute mit werblichen Superlativen. So sieht sich z. B. die Universitäts-Stadt Aachen, indem 2010 das europäische Wissensparlament tagte, mit seinen 13 Technologiezentren und 40.000 Studierenden als „Heimat der größten Technischen Hochschule Westeuropas“. Karlsruhe, das seine Wissenschaftler im Institut für Technologie (KIT) zusammengeführt hat, spricht vom „größten Forschungszentrum Deutschlands“. Nicht weniger bescheiden ist das mit 27 Forschungseinrichtungen gesegnete Braunschweig, das sich in Europa auf Platz 1 sieht, wenn es um die Investitionen in Forschung und Entwicklung geht.

Einen hochoffiziellen Titel „Wissenschaftsstadt“ führen neben Darmstadt seit 2007 auch die Städte Fürth und Straubing, die diesen Titel vom bayerischen Wissenschaftsminister verliehen bekommen haben. Die Inflation der Bezeichnung „Wissenschaftsstadt“ perfekt macht der Stifterverband der Deutschen Wirtschaft, der seit 2005 jedes Jahr eine „Stadt der Wissenschaft“ kürt: Nach Bremen / Bremerhaven, Dresden, Braunschweig, Jena und Oldenburg durfte sich z.B. Mainz 2011 „Stadt der Wissenschaft“ nennen.

Fehlendes Alleinstellungsmerkmal
Die Liste der Städte, Regionen und Forschungsstandorte, die sich „Wissenschaftsstadt“ nennen ist also endlos. Von einem imageprägenden Alleinstellungsmerkmal im Sinne des Stadtmarketings kann also dementsprechend keine Rede sein. Die Einfallslosigkeit in der Stadtvermarktung mag deshalb auf den ersten Blick überraschen - doch wirklich einzigartige imagebildende Zusatz-Bezeichnungen für eine Stadt zu finden ist beileibe nicht immer einfach: So gibt es auch eine Inflation von Burgen- und Residenzstädten und eine Heerschar von Städten mit maritimen Slogans. Doch es geht auch anders: Frankfurt am Main beispielsweise verzichtet gänzlich auf eine Zusatzbezeichnung. Andere Städte setzen nur temporär, je nach Zielgruppe, ein Slogan für ihre Stadt ein. Eine weitgehend „eindimensionale“ offensive Vermarktung des Titels "Wissenschaftsstadt" wie es das Darmstädter Stadtmarketing betreibt ist eher die Ausnahme. So wirbt z. B. Braunschweig zwar auf seinen Wirtschaftsseiten mit dem Titel "Wissenschaftsstadt", doch wenn es um Braunschweig generell geht, bleibt Braunschweig die traditionell etablierte "Löwenstadt" und nutzt so seine kulturelle Geschichte als prägnantes Stadtsymbol.

Touristen bevorzugen weiche Faktoren
Aus touristischer Sicht ist der Titel „Wissenschaftsstadt“ sowieso eher ungeeignet: Er versprüht keine Emotionen, lässt sich nur schwer im Stadtbild fassen und wird von zu vielen Städten verwendet. Als Zielgruppe des nach Forschungskompetenz klingenden Titels „Wissenschaftsstadt“ kommen am ehesten Investoren, Unternehmen und qualifizierte Arbeitskräfte in Frage. Doch auch bei dieser Zielgruppe zählen vermehrt „weiche Faktoren“ wie die Freizeitqualität, Lebendigkeit und das kreative Potential der Stadt - und diese Faktoren entscheiden letztlich über die Ansiedlung und den Umzug in eine Stadt.

Leider hat sich auch keine umgangssprachliche Bezeichnung für die Wissenschaftsstadt Darmstadt durchgesetzt. Würden Touristen Darmstadt mit seinem „Europäischen Raumflugkontrollzentrum“ z. B. als „Houston von Europa“ sehen, dann bräuchten sich die Stadtväter über kunstvolle Eigenschöpfungen keine Gedanken mehr zu machen. So versteckt sich aber Darmstadt unter dem Titel "Wissenschaftsstadt" hinter einer nivellierten Begrifflichkeit und besitzt damit, um es in der werblichen Fachsprache zu sagen, über „ein unscharfes Markenprofil“. Zusammengefasst gesagt: Durch die inflationäre Verwendung wirkt die Benamung "Wissenschaftsstadt" abgenutzt und eine Abgrenzung zu anderen Wissenschaftsstädten wird so gut wie unmöglich gemacht. Die Stadt bräuchte also unbedingt eine "Wahrnehmungserfrischung", um in der zunehmenden Konkurrenz der Städte auf Dauer bestehen zu können. Die Bewerbung zum UNESCO Weltkulturerbe Mathildenhöhe ist zumindest der erste Schritt in die richtige Richtung.

Unverwechselbare Marke: Jugendstilzentrum Darmstadt
Grundsätzlich sollte eine Marke immer einzigartig und unverwechselbar sein - Darmstadt besitzt mit seinem Jugendstilzentrum Mathildenhöhe über ein attraktives "Label", um das es andere Städte beneiden und das für weltweite Aufmerksamkeit sorgen kann - so schaffte es z. B. eine mit dem Hochzeitsturm bedruckte Mode sogar auf dem Pariser Laufsteg (s. Artikel "Olbrich-Mode ist der letzte Schrei in Paris", DA Echo, 07.03.11). Doch dieses einzigartige Markenattribut, das eine unverwechselbare Identität von Weltrang bilden würde, wird genauso wie die von Hundertwasser in Darmstadt geschaffene "Waldspirale" nur unzureichend für das Stadtmarketing genutzt. Stattdessen möchte Darmstadt wie beschrieben bevorzugt als Wissenschaftsstadt wahrgenommen werden und verpasst damit eine große Chance für seine Vermarktung. Eine andere Stadt in Europa hat die markenbildenden Eigenschaften der einzigartigen Stilepoche Jugendstil indes bereits erkannt: der bei Touristen beliebte Ort Alesund wurde bereits 2003 vom norwegischen Königshaus zum "nationalen Jugendstilzentrum" ernannt und besitzt damit einen unvergleichlichen Titel für seinen Werbeauftritt.

Darmstadt verfügt über eine Vielzahl von attraktiven Attributen, um im weltweiten Wettbewerb der Städte bestehen zu können. Mit der richtigen Strategie kann Darmstadt sich ein unverwechselbares Image mit einer positiven Wirkung für den Tourismus, für die Wirtschaftsansiedlung und für die Anwerbung von Fachkräften aufbauen.

>>> Linktipp zur Thematik der amtlichen Zusatzbezeichnungen für Städte: "Wissenschaft- oder Documenta-Stadt: Amtliche Zusatzbezeichnungen sind möglich, aber nicht gefragt" im FAZ-Net vom 26.12.05.  Alle Angaben ohne Gewähr. 

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20101104

Darmstädter STADTBAUGESCHICHTE(N)

Jugendstilensemble
Darmstadt war und ist die Stadt der kreativen Künstler, der politischen Literaten, der stilprägenden Baumeister und der ideenreichen Wissenschaftler. In der Jugendstilstadt Darmstadt ist u.a. der Deutsche Werkbund zu Hause. Hier wurden bahnbrechende Werke im Spannungsbogen zwischen Architektur und Design von Persönlichkeiten wie Alfred Messel, Joseph Maria Olbrich, Peter Behrens und Hermann und Gudrun Zapf geschaffen. Und Darmstadt schrieb mit Georg Büchner Literaturgeschichte.

Brüche im Stadtbild
Persönlichkeiten prägen das positive Bild einer Stadt. Doch Darmstadts Geschichte birgt auch viele Brüche seines Stadtbildes. Darmstadt war nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine einzige Trümmerwüste: 99 % der Innenstadt waren zerstört, über 10.000 Menschen wurden im Bombengemetzel getötet. Die Wunden sind bis heute in der Stadt sichtbar. Der Aufbau gelang zügig, aber nicht schön. Die zerstörte Altstadt spielte im Zuge des Wiederaufbaus keine Rolle mehr. Dem modernen Zeitgeist entsprechend wurde die gegliederte und aufgelockerte Stadt zum Leitbild für den Wiederaufbau - ohne dabei auf den städtebaulichen Kontext zu achten. Jedoch begnügten sich die Stadtplaner nicht die zerstörte Innenstadt neu zu bebauen, sondern brachen - in der von Notbauten und Kriegslücken übersehten Stadt - unsinnigerweise auch völlig intakte Altbausubstanz ab. So wurden neben dem östlichen Altstadtteil auch unversehrte Bauten im Carree Schloßgarten-, Lauteschläger- und Pankratiusstraße für moderne Hochschulklötze abgerissen. Selbst der Prinz-Georgs-Garten sollte für TU-Bauten weichen - zum Glück wurde es verhindert. 1955 wurde die Ruine des Neuen Palais abgeräumt - Wiederaufbaupläne scheiterten. 1958 fiel die Marstallruine am Mathildenplatz zugunsten des neuen Justizzentrums und die Kriegsruine Haus Christiansen auf der Mathildenhöhe wurde entfernt. Und noch in den siebziger Jahren wurden die Altbauten am Kopernikusplatz/Heinheimer Straße plattgemacht um Betonwohnbauten zu errichten. So wurde nachhaltig die städtebauliche Geschichte von Darmstadt ausgelöscht. In der Innenstadt entstehen derweil immer mehr moderne Bauten: Am Friedensplatz wird z. B. 1968 das Schlosscafe eröffnet (später Waben).

Affären und spätes Umdenken
Die Stadt- und Baupolitik wurde immer wieder von Affären erschüttert, wie bei der "Mengler-Affäre". Mengler baute mit seinem Bauunternehmen u.a. die Tiefgarage/Atombunker unter dem Friedensplatz (s. dazu Wikipedia-Artikel zu Jakob Wilhelm Mengler). Darüber hinaus sorgte auch die Verkehrspolitik für Schlagzeilen: Im Zuge einer autogerechten Stadt sollten dann in den siebziger Jahren weite Teile des Martinsviertels für eine Schnellstraße ("Osttangente") weichen. Bürgerinitiativen verhinderten zum Glück den Abrisswahnsinn. In dieser Zeit begann allgemein ein leichtes Umdenken - so bekam 1974 Hessen ein Denkmalschutzgesetz. Die Baugeschichte der 70iger Jahre war in Darmstadt indes weiter von Großbauten geprägt - so wurde 1972 das neue Stadttheater eingeweiht und 1975-77, als Abschluss des Luisenplatzes, das Luisencenter gebaut sowie die großspurige Untertunnelung mit dem City-Tunnel (s. Bild von Bauschild). Im Ergebnis ist die halbe City mit Tiefgaragen und Schnellstraßen untertunnelt. 

1977 zieht die HEAG nach Kranichstein und die Hallen der 1888 erbauten "Centralstation für elektronische Beleuchtung" in der Innenstadt stehen leer. Nach Umbau wird daraus später (1999) ein Kulturbetrieb - die "Centralstation". Einen weiteren städtebaulichen Lichtblick gab es Mitte der achtziger Jahre: 1984 wurde der alte Pädagog wieder aufgebaut und 1986 wurde das bis dahin nur noch als Ruine stehende Große Haus des Theaters wieder errichtet. Doch ansonsten wurde, obwohl zu der Zeit noch die Steuereinnahmen der Stadt sprudelten, auch in den 80iger Jahren in Darmstadt städtebaulich vieles verschlafen - während andere Städte eine postmoderne Erneuerung erfuhren, bewegte sich in Darmstadt nicht viel. Ein städtebaulicher Glanzpunkt wurde erst mit der im Mai 2000 eröffneten, von Hundertwasser geschaffenen Waldspirale, gesetzt. Ein großes Bauvorhaben wurde 2007 vollendet - das Darmstadtium (s. auch "Der Lotse nimmt Abschied vom Darmstadtium", Echo-Online, 13.12.10). Derweil wurde 2008 eine große Chance gegenüber dem historischen Moller-Bau weitgehend vertan: Ein neugebautes Hotel eröffnete - lieblos modern, mit Flachdach und monotoner Fassadengestaltung. (s. auch "Darmstädter Bausünden",  Echo-Online, 13.10.11). Eine besondere Lokalposse, die auch im Datterich vorkommen könnte, ist der Umbau des Hessischen Landesmuseum. Der Museumsbau wurde für den Umbau von 2007 bis 2014 für rekordverdächtige 7 Jahre komplett geschlossen! 2012 wurde das "Saladin-Eck" abgerissen. 2014 verschwand das stimmungsvolle Kopfsteinpflaster der Hochschulstraße (zwischen Kantplatz und Herrngarten) unter Asphalt. Ein Teil des historischen Holzpflasters ist in einem Schaukasten(!) zu sehen. 2015 gab es dann einen sportlichen Höhepunkt für Darmstadt: Die "Lilien" Darmstadt 98 stiegen sensationell in die 1. Liga auf und spielten zwei Spieljahre in der 1. Liga.. Der kontinuierliche Einwohnerwachstum der Stadt wurde ab 2015 mit dem Zustrom von Bürgerkriegsflüchtlingen weiter verstärkt. 2017 gewinnt Darmstadt den Bitkom-Wettbewerb und wird zur digitalen Stadt gekürt (s.auch https://digitalstadt-darmstadt.de/). 2023 gelingt den Lilien von Darmstadt 98 wieder der Aufstieg in die 1. Liga. Nach den bleiernden Corona-Jahren bewegt sich 2023 noch weiteres in der Stadt: Hanno Benz wird der neue Oberbürgermeister. Das Schloss wird nach über 10 Jahren Sanierung als "Wissenschaftsschloss wieder eröffnet und zum Jahresende schließt der Kaufhof. Zudem kehrt ein historisches Kleinod 2023 an seinem alten Platz in der Albert-Schweitzer-Anlage zurück: Der rekonstruierte Ludwigstempel. Am 20.-22.09.24 wurde das Welterbefest und Wiedereröffnung des Ausstellungsgebäudes auf der Mathildenhöhe gefeiert. Nach 12 Jahren Bauzeit und 33 Millionen Euro Kosten konnte das Architektur-Jugendstiljuwel wieder der Öffentlichkeit übergeben werden.

Zwiespältige Stadt
Heute bietet das mit Architektur-Fakultäten reich ausgestattete Darmstadt einen zwiespältigen Anblick mit historischen Glanzpunkten und herausragenden Bausünden der Nachkriegszeit und teilweise verwahrlost-ungepflegten Denkmälern und übermäßig graffitibeschmutzten Innenstadt-Vierteln. Dazu kommen städtebauliche Peinlichkeiten wie der Wörnersteg und die gestoppte Darmbach-Offenlegung. Darmstadt hat heute seine schönsten Ecken - Rosenhöhe, Mathildenhöhe, Hundertwasserhaus - außerhalb des Stadtzentrums. Doch selbst die Wiege des Jugendstils auf der Mathildenhöhe (s. Rahmenkonzeption hbk tu) war und ist immer wieder gefährdet. Erst 1976 mit der Ausstellung "Ein Dokument Deutscher Kunst" konnte der Jugendstil in Darmstadt in der Nachkriegszeit wieder an Bedeutung gewinnen. Doch einige Jahrzehnte später sollte ein allzu moderner Museumsneubau - trotz Protesten der Darmstädter Bürger - auf dem Gelände des historischen Jugendstilensembles gebaut werden. Selbst Fachleute waren entsetzt (s. auch Artikel zum Museum Sander: "Ein Fremdkörper in Olbrichs Ensemble", Echo Online, 15.07.10). Kein Wunder, dass sich eine Bürgerinitiative (SOS Mathildenhöhe und später AG Mathilda) zum Schutz der Mathildenhöhe bildete, die schließlich den "modernen Klotz" an der vorgesehenen Stelle 2011 verhinderte. Erst 2013 wurde beschlossen, dass die Mathildenhöhe zukünftig durch ein Bebauungsplan geschützt wird. Ein Skandal, dass bis zu diesem Zeitpunkt immer wieder ungeniert auf der Mathildenhöhe historischer Bestand abgerissen werden konnte und dafür nicht ensemblegerechte Neubauten errichtet wurden. 2021 schließlich wurde die Mathildenhöhe zum Unesco Welterbe erklärt. 

Vermarktung der Stadtkultur
Darmstadt sollte sich auf seine historischen Wurzeln besinnen und damit Ankerpunkte für den Tourismus schaffen. Die Vermarktung der kulturellen Perlen der Stadt, wie dem Jugendstilbad, lohnt sich übrigens auch für die Wertschöpfung der Stadt (s. dazu Artikel "Kultur bringt Einnahmen in die Stadt", DA Echo, 18.03.11). Denn während z. B. in China im Zuge des Baubooms massenhaft "kulturelle Immobilienprojekte" aus dem Boden gestampft werden, kann Darmstadt auf authentische, kunsthistorisch wertvolle Bauten wie dem Welterbe Mathildenhöhe zurückgreifen, die Einwohner und Besucher gleichsam faszinieren.

>>> Literaturtipp zur Darmstädter Geschichte: "Herrschaft - Architektur - Raum: Festschrift für Ulrich Schütte zum 60. Geburtstag", Lukas Verlag 2008.  

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20101102

Ein LEITFADEN für Darmstadt-Besucher: TOP Sehenswürdigkeiten

Die im südlichen Hessen liegende Stadt Darmstadt hat, laut Zensus 2011, knapp 146.000 Einwohner (ca. 33 % davon mit Migrationshintergrund, 32 % der Bewohner sind Studenten - höchster Anteil in Deutschland). Die Darmstädter werden im Volksmund auch "Heiner" genannt. Früher, bis zu deren Abzug, prägten die vielen GI´s die Stadt. Heute ist besonders der öffentliche Dienst in Darmstadt stark vertreten: Die vielen städtischen, juristischen und universitären Ämter, Behörden und Verwaltungen machen die Stadt fast zur "Beamtenstadt". Der Darmstädter gilt nach einer Untersuchung als "Phlegmatisch" und "Harmoniebedürftig" . Und in der Tat, hier gibt es auch bei den vielen Bauskandalen, Schlaglöchern und verschobenen Bauprojekten keine große Aufregung bei der überwiegend gelassen wirkenden Bevölkerung. Die Stadt ist nicht an allen Stellen eine Schönheit - vor allem die City wird von den Innenstadtbesuchern als "mittelmäßig" attraktiv eingeschätzt - besonders bei der Stadtgestaltung gibt es Nachbesserungsbedarf .

Darmstadt zählte im Jahr etwa 10 Mio. Tagesgäste im Jahr und 600.000 Übernachtungen bei einer durchschnittlichen Verweildauer von knapp 2 Tagen und einer Hotelbettenauslastung von etwa 40 % (Stand 2012, s. auch Touristen - Darmstadt auf Platz 38). Rund ein Drittel der Gäste kamen aus dem Ausland. Geschäftsreisende und Kongressteilnehmer machten 80 % aller Besucher aus. Die meisten Touristen kamen aus den USA und Großbritannien. 

Wer geschäftlich oder privat nach Darmstadt kommt, als Besucher, Kongressteilnehmer oder Neubürger, der kommt zunächst oftmals mit dem Zug an. Und so beginnt auch unser kleiner "Darmstädter Leitfaden" am 1912 erbauten Darmstädter Hauptbahnhof. Dieser ist ein echtes Jugendstiljuwel - und auch wer das Gebäude verlässt, blickt auf einen ansehnlich-gepflegten Bahnhofsvorplatz, mit Blick nach rechts zum majestätischen Fürstenbahnhof. In der Nähe befindet sich auch der beinahe 1978 abgerissene Wasserturm und das Postgebäude - in einem gewaltigen neoklassizistischen Bau von 1912 - dem ehemaligen "Kaiserlichen Postamt". Da der Bahnhof relativ weit außerhalb des Stadtzentrums gebaut wurde, ist nun eine Fahrt mit Bus oder Straßenbahn fällig. Dieser Weg führt meistens über die breite Einfallsschneise "Rheinstraße" - ein eher schockierendes Erlebnis - denn links und rechts stehen einige Bauten, die einen fatal an die Aufbauleistungen sozialistischer Kleinstädte erinnern.

Johannesviertel Darmstadt
Hat man die Beton-Blöcke hinter sich gelassen, gelangt man zum - von unzähligen Bus- und Straßenbahnlinien durchschnittenen - Luisenplatz, der guten oder zumindestens lautstarken "Stube" in der Darmstädter Innenstadt. Auf der einen Seite eingerahmt wird dieser vom etwas in die Jahre gekommenen Luisencenter - einem überschaubar-netten, innerstädtischen Einkaufscenter. Warum man in Weiterstadt auf der grünen Wiese statt in der Darmstädter City ein neues Einkaufscenter gebaut hat bleibt indes rätselhaft. Auf dem Luisenplatz fällt ansonsten noch das Ludwigsmonument ins Auge - von den Darmstädtern nur "langer Lui" genannt. Darmstadt verfügt über eine ausgeprägte Punkerszene, die hier gerne verweilt - spötter meinen, dieses sei das einzige großstädtische Merkmal von Darmstadt. Aber das stimmt nicht: Zwar wurde das Darmstädter Zentrum im Weltkrieg zu 99 % zerstört und mäßig schön wieder aufgebaut, aber außerhalb des Zentrums, z. B. im historischen Johannisviertel (mit dem sehenswerten Johannesplatz), und dem Komponisten- sowie dem Paulusviertel (mit dem tollen Paulusplatz und der Pauluskirche und dem Haus Haardteck in der Nähe), besitzt Darmstadt viel großstädtisches Flair. Besonders das gastronomisch ansprechende, altbaubestückte Martinsviertel geht - nachdem 2003 das 3klang eröffnete und damit ein Gastro-Boom ausgelöst wurde - mittlerweile als "kleiner"-Prenzlauer Berg durch. Der rührige Darmstädter Stadtteil Martinsviertel war ehemals ein Arbeiterwohngebiet und wurde ab 1972, fast dreißig Jahre lang, mit seinen vielen Innenhöfen aufwändig saniertEin Massenabriss in den 60iger Jahren und ein Schnellstraßenprojekt ("Osttangente") durch das Viertel in den 70iger Jahren, konnten zum Glück verhindert werden. Der Stadtteil weist insbesondere gründerzeitliche Bauten im Stil eines reduzierten Historismus auf. Daneben gibt es noch einige Bauten aus der Zeit des Jugendstils. Die meist in Ziegelbauweise errichteten Bauten sind verputzt und oftmals mit ornamentaler Bauplatik aus Sandstein dekoriert.  Hübsche Fachwerkbauten finden sich u.a. in Alt-Bessungen und in Eberstadt. Schöne Villen, davon viele Baudenkmäler, sind z. B. im Komponistenviertel zu finden.

Es gibt für eine Universitätsstadt zu wenige Kneipen, Cafes, Clubs und Restaurants, aber zumindest viele Parks und Freizeitmöglichkeiten in Darmstadt. Mit Darmstadt 98 - den "Lilien" - gibt es zudem in Darmstadt einen Fußball-Traditionsverein (hier begann z. B. Weltstar Cha-Bum seine Karriere in Deutschland) der mit dem Stadion am Böllenfalltor viele Fußballfans anzieht. Zurück zum Zentrum: Dieses wird geprägt von dem üblichen Gewerbemix, der in allen deutschen Städten vorherrscht. Leider fehlt eine hübsche Altstadt in Darmstadt zum flanieren und auch die Marktplatzbebauung könnte eine bauliche und gestalterische Aufwertung vertragen. Am Marktplatz befindet sich im Alten Rathaus der Ratskeller und "Henschel" - eines der führenden Modehäuser von Darmstadt. Unweit steht der "Weiße Turm". Schöne kleine Geschäfte finden sich in der Schulstrasse und interessant ist auch die ruhige Schleiermacherstrasse. Die Stadt beherbergt riesige unterirdische Parkhäuser und hat mit dem Citytunnel eine unterirdische Straßenführung. Dabei ist der Citytunnel eine beliebte Partymeile - insbesondere bei großen Fußballereignissen wird dieser kurzerhand von feiernden Darmstädtern oftmals in Beschlag genommen und für den Autoverkehr gesperrt.

Darmstadt liegt leider nicht an einem größeren Gewässer oder Fluss - was die Stadt attraktiver machen würde. Zumindest gibt es mitten im Stadtzentrum die rührige und sehenswerte Veranstaltungslocation Centralstation und das Staatstheater, das mit einem kosmopolitischen Vorplatz aufwarten kann. In Reichweite des Theaters befindet sich der Alice-Obelisk und die imposante Kuppelkirche St. Ludwig - ein Werk von Moller von 1822/27 - der erste katholische Kirchenbau in Darmstadt nach der Reformation. Des Weiteren gibt es in der Innenstadtlage den futuristische Veranstaltungs-, Tagungs- und Eventkomplex Darmstadtium (mit einem eingebauten Teil der Stadtmauer) und gegenüber das schöne Residenzschloss mit lauschigen Innenhöfen, einem schön gestalteten Schlossgraben und einem netten Biergarten auf der Bastionsmauer. Wer durch die Höfe des Schlosses weiter läuft gelangt - wenn nicht gerade wieder Eventzelte den schönen Platz versperren - zum Karolinenplatz mit  den historischen Bauten des von Alfred Messel geschaffenen Hessischen Landesmuseums und des Haus der Geschichte mit dem Hessischen Staatsarchiv (untergebracht im ehem. Hof- und Landestheater von Moller - mit dem beeindruckenden Karolinensaal). Dahinter verbirgt sich der sehenswerte Herrngarten - ein großzügiger Park (u.a. mit dem Goethe-Denkmal von Ludwig Habich) an dessen Ende der romantische Prinz-Georg-Garten mit dem Porzellanschlösschen und dem Gartenhaus liegt. Eine weitere tolle Parkgartenaanlage findet sich im Stadtteil Bessungen - der Prinz-Emil-Garten mit dem Schlösschen. Desweiteren findet sich in Bessungen die schöne Orangerie. Sehenswert ist auch der riesige, historische Waldfriedhof.

Wer nicht nur als kurzzeitiger Besucher nach Darmstadt kommt und Parks liebt, der sollte sich auch noch die Rosenhöhe - ein historischer Park im Osten Darmstadts, das Oberfeld mit Biobauernhof, den Botanischen Garten der TU, den schönen Tierpark Vivarium, den Nordpark (dort ist ab und zu Flohmarkt und dort ist auch der riesige Bayerische Biergarten gelegen), das idyllische gelegene Oberwaldhaus mit dem Steinbrücker Teich und das Jagdschloss Kranichstein mit seiner Gartenanlage und die toll angelegte Reitanlage Kranichstein anschauen. Wer Brunnen liebt, der sollte sich den schönen Tierbrunnen anschauen.

Und hier noch einige Geheimtipps für Architekturfans: In der Landwehrstraße befindet sich eine origninalgetreue Zeppelinhalle, die heute als Parkhaus genutzt wird. Im mit Fachwerkbauten ausgestatteten Stadtteil Arheilgen gibt es mit  dem Bürgerzentrum "Zum Goldnen Löwen", einen bis heute für Veranstaltungen genutzten Jugendstilsaal. Eine tolle Veranstaltungslocation ist auch der "Schwanensaal" (Ernst-Ludwig-Saal) von 1909 in Eberstadt. Schön ist auch in Eberstadt die Straße Am Elfengrund mit der schönen Villa Am Elfengrund 71. Weiter Nordwestlich in Darmstadt, im Rodensteinweg 2, befindet sich mit dem "Alten Schalthaus" ein sehenswerter Bau von 1926 im Stil des Klinkerexpressionismus. Ein historisch nachgeahmter Bau im Stil eines "Schweifgiebelhauses" (fertiggestellt 2013) ist in der schönen Magdalenenstr. 25 zu bewundern. Direkt gegenüber steht die im Jugendstil 1904 errichtete ehemalige Maschinenhalle - von der TU als Vorlesesaal 2013 umgebaut. Sehenswert ist auch die in der nähe befindliche, 2012 eröffnete Zentralbibliothek auf dem Campus Mitte. Um die Ecke - in der Hochschulstraße stehen alte TU-Gebäude wie der 1904 von Friedrich Pützer errichtete Pützerturm. Dieser war einst ein Wahrzeichen der Hochschule - im Krieg leicht zerstört, nach dem Krieg zerstümmelt und ab 2015 zumindest "Innen" wieder saniert. In der Nähe lohnt sich ein Besuch des mit Architekturbüchern gut sortierten Georg Büchner Buchladen in der Lauteschlägerstr. 18. An dieser Stelle ein weiterer Tipp zum Thema Bücher: Das Antiquariat Bläschke in der Sandstraße 38.

Aus der Wiederaufbauepoche stechen positiv hervor, der Neufert-Meisterbau in der Pützerstraße 6 (unterhalb der Mathildenhöhe) von 1954 und das Haus Finkeisen ("Wilhelminenhof") von 1955 in der Wilhelminenstraße mit einem Scraffito des Künstlers Ernst Vogel sowie das Ludwig-Georgs-Gymnasium von 1955 von Max Taut. Weiterhin sehenswert ist die historische - unter Denkmalschutz stehende - ehemalige "Merck-Villa" in der Annastraße 15, sowie das als Hotel 1899 eröffnete und heutige Begegnungszentrum "Lichtenberghaus" in der Dieburger Straße 241. Begegnungen der kulturellen Art finden auch im "Achteckhaus" - einem schönen Renaissancebau in der Mauerstraße 17 statt. Ein schönes bauliches Ensemble bildet auch die "Waldkolonie". Insgesamt gibt es etwa 2.450 geschütze Bauten, Denkmäler und Objekte in Darmstadt.

Weiter mit dem Pflichtprogramm der "Darmstädter Sehenswürdigkeiten": Das UNESCO-Weltkulturerbe Messel in der Nähe von Darmstadt und das Weltkulturerbe Mathildenhöhe mit dem einzigartigen Jugendstilensemble muss man als Besucher Darmstadts gesehen haben. Der Hochzeitsturm oder auch Fünffingerturm (Vorbild für die "schützende Hand" über der Stadt war das orientalische Symbol "Fatimas Hand") ist das Wahrzeichen der Stadt. Sehr schön auch die Russische Kapelle auf dem Gelände der Mathildenhöhe. Nur wenige Autominuten entfernt von der Mathildenhöhe befindet sich das historische Jugenstilbad - für Baden, Sauna und Spa. Toll ist auch der Woog - ein Badesee in der Stadt und toller gleichnamiger Gastronomie. Ein weiterer Pflichtbesuch sollte der mitten zwischen Mietskästen und Discounter-Markt stehenden Waldspirale gelten - ein imposanter, von Hundertwasser geschaffener Wohnbau. Spätestens wenn man als Besucher dort angekommen ist merkt man dass Darmstadt zwar ein gewaltiges Potential hat, dieses aber nur mangelhaft nutzt bzw. vermarktet. Die touristische Infrastruktur z. B. könnte vielerorts besser sein, es gibt an vielen Stellen zu wenige trendige Cafes, Bars und Restaurants. Darmstadt ist eine weitgehend sichere Stadt, aber es gibt eine gefühlte Unsicherheit und manchmal würde man sich mehr Stadtstreifen in der City wünschen. Vieles wirkt im Stadtbild leider vernachlässigt und fast die ganze Stadt ist mit Graffititags und Aufklebern verunstaltet. Darüber hinaus gibt es auf den Straßen und Gehwegen Schlaglöcher ohne Ende und viele Plätze in der Stadt sind leider "Taubenverkotet". Schade, dass die Stadt so hoch verschuldet ist, dass für Fassadenprogramme und Straßenreparaturen - wie in vielen anderen Städten auch - kaum noch Geld da ist.

Die TOP-Sehenswürdigkeiten von Darmstadt  

Das Wahrzeichen ist der "Lange Lui" (Ludwigsmonument) auf dem Luisenplatz. Doch es gibt noch weitere, herausragende Sehenswürdigkeiten in Darmstadt:

Sehenswürdigkeiten1. Das Jugendstilensemble Mathildenhöhe mit dem Hochzeitsturm, der russischen Kapelle uvm.
2. Das Hundertwasser-Haus "Waldspirale". 
3. "Moller-Bau"und das Hessische Landesmuseum
4. Der Park Herrngarten und angrenzender Prinz-Georgs-Garten.
5. Der Woog - traumhafter Badesee am Rande des Stadtzentrums.
6. Schloss mit Schlossgraben - ein Ort der Entspannung.
7. Die Rosenhöhe - zauberhafte Grünanlage mit historischen Bauten.
8. Das Jugendstilbad - toll renovierte Bade- und Spa-Anlage.
9. Der urbane Wilhelminenplatz mit Staatstheater und dem schönen Mollerhaus.
10. Die Orangerie mit dem Schlösschen im schönen Stadtteil Bessungen.
11. Der beschauliche Paulusplatz mit dem Gebäude der EKHN (ex Landeshypothekenbank/Paul Meissner) und der Pauluskirche von Friedrich Pützer.
12. Prinz-Emil-Garten mit Schlösschen im Stadtteil Bessungen
13. Die Stadtkirche in der früheren Altstadt
14. Ludwigstempel in der Albert-Schweitzer-Anlage
15. Merck-Villa in der Annastraße 15 (1897/98 erbaut vom bekannten Münchener Historismus-Architekten Emanuel von Seidl, der u.a. das Staatstheater am Gärtnerplatz in München erbaute)
16. Die Stadtmauer mit dem Hinkelsturm u. Überreste Stadt- und Gefängnismauer

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>>> Mehr zur verlorenen Altstadt findet sich im Altstadtmuseum im Hinkelsturm
>>> Sehenswürdigkeiten von Darmstadt hat auch Wikipedia aufgelistet
>>> Die Liste der Kulturdenkmäler in Darmstadt ist hier bei Wikipedia zu finden.

Alle Angaben ohne Gewähr.  

20100430

NACHKRIEG: Kriegsverluste, Abrisse, Rekonstruktionen in Darmstadt

Wiederaufbau Darmstadt
Kriegsverluste
- 99 % der Altstadt
- hohe bauliche Verluste in der gesamten Stadt
Haus Christiansen, Mathildenhöhe (damit Verlust der Sichtachse)
Altes Palais und Neues Palais
- Palais Rosenhöhe
Ständehaus Darmstadt (Sitz des damaligen hessischen Landtags 1839-1933) am Luisenplatz

Rekos und Wiederaufbauten in Darmstadt

- 1949 trotz einer Abbruch-Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung baut das Land Hessen den Weißen Turm wieder auf.
- 1952 Wiederaufbau der Stadtkirche
- 1953 Das wiedererrichtete Kollegiengebäude wird eröffnet
- 1955 Altes Rathaus wieder aufgebaut
- Wiederaufbau Residenzschloss
- 1984 der alte Pädagog - ehemalige Lateinschule - wieder aufgebaut
- 1986 das Große Haus des Theaters - bis dahin Kriegsruine - wieder errichtet
- 2013 in der Magdalenenstraße 25 entsteht ein historisch angepasstes "Schweifgiebelhaus
- 2014 Dachlandschaft und vieles mehr der Merck-Villa in der Annastraße werden rekonstruiert
- 2023 Rekonstruktion des Ludwig-Tempels in der Albert-Schweitzer-Anlage

Nachkriegsabrisse in Darmstadt
- Abriss Bauten im Carree Schloßgarten-, Lauteschläger- und Pankratiusstraße für Hochschulbauten. Erhaltene Teile des TU-Uhrturms von Pützer werden nach dem Krieg abgetragen.
- 1955 Abräumung der Ruine des Neuen Palais  
- 1958 Abriss der Marstallruine am Mathildenplatz (dafür später neues Justizzentrum)
- frühe 60iger Jahre Abriss Reste Palais Rosenhöhe
- 70iger Jahre Abriss von Altbauten am Kopernikusplatz/Heinheimer Str. für neue Wohnbebauung
- 2022 Abriss sCentral-Gebäude am Herrngarten
MATHILDENHÖHE
- 1958 Abriss Ruine Haus Christiansen auf Mathildenhöhe. Dafür später Aufstellung eines Weltausstellungsbrunnen.
- 2009 Abriss des Kutscher- und Garagenhauses von Joseph Maria Olbrich für modernen Villenbau. Der Abriss auf der Mathildenhöhe im Prinz-Christians-Weg 17 wurde im Darmstädter Echo vom 03.09.11 dokumentiert "Olbrichs Villen sind der Maßstab", Klaus Honold.

Abrisswatch: Die Welterbestadt Darmstadt im Abrissmodus?
Wer heute durch die Darmstädter Innenstadt geht, hat oft den Eindruck, diese Stadt wäre nur 60 Jahre alt und die Erbauer hätten im modernen Einerlei den Kompass für harmonische Stadtbezüge verloren. Zwischen gesichtslosen Neubauten und breiten Verkehrsschneisen, finden sich verloren ein paar stilvolle, geschichtsreiche Gebäude aus alter Zeit. Es sind die letzten Überbleibsel der einst stolzen Residenzstadt. Geradezu verbissen räumte man nach dem Krieg die Reste der Vergangenheit fort, als ob diese am Untergang der Stadt schuld gewesen wäre. Der moderne Wiederaufbau geriet zur fehlgeplanten Farce. Man möchte dieser Stadt und ihren Bewohnern wünschen, dass sie bald wieder ihre städtebauliche Würde, Eleganz und Schönheit wiedergewinnt. Doch das Gegenteil ist der Fall: Während sich die Stadt Darmstadt mit dem Welterbetitel für das Jugendstilensemble auf der Mathildenhöhe schmückt, werden auf der anderen Seite leider immer noch historische Bauten in der Stadt hemmungslos zerstört. Es wird Zeit für ein generelles Umdenken.

scentral am herrngarten darmstadt 2021
Darmstadt hat den Welterbetitel für die Mathildenhöhe erhalten. Die Bürger und die Stadt können auf diese feierliche Nachricht zu Recht stolz sein. Damit wird auch das Engagement um den Erhalt des Jugendstilensembles gewürdigt. Doch an vielen anderen Orten der Stadt herrscht zurzeit ein einzigartiger Zerstörungswahn. So wurde ein charakteristischer Altbau am Rande des Herrngarten, in dem die Drogenhilfe-Einrichtung „Scentral“ (s. Bild) untergebracht ist, 2022 abgerissen. Hier soll ein Neubau für ein Sozial- und Gesundheitszentrum entstehen. Das alte Bestandsgebäude in der Bismarckstraße 3, gegenüber dem Amtsgericht, sah heruntergekommen und verwahrlost aus. Die Stadt hatte das in einer bevorzugten Stadtlage stehende Gebäude offensichtlich nicht richtig gepflegt. Es war eines der wenigen Bauten im Stadtzentrum das den Feuersturm des Bombenkriegs im zweiten Weltkrieg überstanden hatte. Statt das Gebäude instand zu setzen und zu sanieren, wurde von der Stadt die Abrissbirne geschwenkt. Eigentum verpflichtet – insbesondere die Stadt sollte beim Schutz seiner verbliebenen, historischen Bausubstanz ein vorbildliches Handeln zeigen. Die Symbolkraft nach Außen ist nicht zu unterschätzen. Gerade als „grüne Stadt“ muss in Darmstadt das Sanieren immer vor dem Abriss stehen. Im Interesse des Klimaschutzes ist es essenziell, nicht nur an den direkten CO2-Emissionen zu arbeiten, sondern ressourcenschonend auch die „graue Energie“ zu minimieren, die bei Abriss und Neubau vergeudet wird.

Ein weiterer Eingriff in die historische Bausubstanz erfolgt wohl demnächst in der Riedeselstraße unweit des Marienplatzes. Dort war, in einem rückwärtigen Gebäudetrakt der ehemaligen Dragoner-Kaserne von 1827 mit Reitställen, wohl Darmstadts schönster Veranstaltungssaal untergebracht. Doch der ehemals von einem Verlag als „Literarium“ genutzte Saal mit einem eindrucksvollen Säulengang und Gewölbedecke wird wohl bald verschwinden. Das Gelände wurde verkauft und wird von einem Investor mit einer neuen Wohnsiedlung überbaut. Dabei bietet der Gewölbekeller des Literaiums hervorragende Nutzungsmöglichkeiten - z. B. als stilvolle Winebank. 

Völlig unnötig ist auch der geplante Eingriff in das TU Maschinenhaus am Kantplatz. In die schmucke Jugendstilfassade von 1904 will die TU ein neues Portal hineinbrechen lassen. Hier müssen die Stadt und der Denkmalschutz vor Ort tätig werden, um diese unsinnige Stadtzerstörung zu stoppen. Als Stadt mit einem Jugendstil-Weltkulturerbe ist es völlig grotesk ein eingetragenes Baudenkmal mit Jugenstilbezug nachhaltig zu beschädigen. Dabei sollte die Stadt auch immer Bedenken, dass der Welterbetitel kein Selbstläufer ist, sondern eine weitreichende Verpflichtung für den Schutz der Welterbestätte beinhaltet. Die Stadt steht nun unter internationaler Beobachtung. Das Dresdner Elbtal und Liverpool wurden bereits wieder von der Welterbeliste gestrichen. In Liverpool sah die UNESCO den außergewöhnlichen Wert der Stätte durch diverse Bauprojekte beschädigt und in Görlitz warnte die Unesco-Beraterorganisation ICOMOS im Zusammenhang mit der Welterbebewerbung vor einem Abriss der Villen am Postplatz.

TU Maschinenhaus Darmstadt

Darmstadt befindet sich offensichtlich gerade im Abrissmodus. Man kann nur an die Stadt, TU und an private Bauinvestoren appellieren, demütiger und behutsamer mit dem historischen Stadterbe umzugehen. Gerade die Erringung des Welterbetitels sollte zu einem konsequenten Umdenken in der Stadt führen. Auch ökologisch gesehen, stehen die jüngsten Abrisse völlig konträr zum dringend nötigen Ressourcenschutz. Hier wird völlig unnötig die graue Energie der Gebäude vernichtet.

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20100415

Bauerbe Wunschliste: STADTREPARATUR in Darmstadt

Stadt reparieren
WUNSCHLISTE ARCHITEKTUR DARMSTADT (Stand 7.2022)
1. MathildenhöheRekonstruktion Haus Christiansen (dort steht nach Kriegszerstörung nun der Brunnen von Karl Hartung (1958). Ein Museumsbau (Sander) an dieser Stelle kam nach Protesten 2010 nicht zustande. Links: Haus Christiansen, Bilder, Bilder   Sonstige: 
http://www.freunde-der-mathildenhoehe.de/assets/Uploads/Links/MathildenhoeheZusammenfassungFachforum2.pdf
+ Mathildenhöhe: Restaurierung mit Reko Haus Olbrich 
s. auch https://www.freunde-der-mathildenhoehe.de/assets/Uploads/Aktuelles/Resolution-Olbrich-Haus-20170515.pdf
2. Zeitnahe Revitalisierung ehemalige Großherzogliche Landwirtschaftskammer
Das 1914 errichtete Gebäude an der Rheinstrasse 62 wurde vom Architekt Wilhelm Thaler im Neobarock-Stil als Verwaltungsgebäude erbaut. Auf der Balkon-Balustrade des denkmalgeschützten Baus stehen vier Putten von Heinrich Jobst (der z. B. auch den Jobst-Brunnen am Hauptbahnhof errichtete). Nach der Nutzung als Großherzogliche Landwirtschaftskammer wurde das Gebäude ab 1945 dann einige Jahre als Sitz der "Deutschen Regierung des Landes Hessen" genutzt, danach als Zweigstelle des Regierungspräsidiums Darmstadt. Das Gebäude steht (Stand 2022) seit einigen Jahren leer und ist im Privatbesitz eines Kunstsammler-Ehepaares. Es gab wohl Pläne für ein Kunstmuseum oder für ein Hotel.
3. Literarium Erhalt Gewölbe
4. "Bangerts Eck" - um weitere Abrisse zu vermeiden, sollte eine Erhaltungssatzung Martinsviertel beschlossen werden
5. Das Maschinenhaus wurde vor einigen Jahren fachgerecht saniert. Nun sollte es nicht weiter umgebaut werden und kein neuer Eingang am Jugendstilportal TU Maschinenhaus Magdalenenstraße entstehen.
6. Sanierung des Jobst-Brunnens
7. Infoplakette Neue Palais
8. Fassadenrekonstruktion Altes Palais und Städtebauliche Öffnung des Karstadt-Betonriegels in der Luisenstraße.
9. Ludwigs-Tempel Wiedererrichtung
10. Saladin-Eck: Eine Neubebauung mit Rücksicht auf die Nachbarbebauung "Krone" wäre wünschenswert gewesen.   
11. Stadteinfahrt Rheinstraße: Lofts und Stadthäuser auf Parkplatzbrachen an der Rheinstraße
12. AltstadtKleinteilige, altstadtgerechte Bebauung rund um die Stadtkirche. Kleinteilige Verdichtung rund um die Insel und am Alten Pädagog. City-Ring - Verkehrsberuhigung und Rückbau Hügel/Holzstraße
13. "Pützerturm" TU, Rekonstruktion der Turmhaube des Pützerturms
2019 wurde leider statt einer Rekonstruktion ein moderner Glasquader gebaut. Hier sollte unbedingt nachgebessert werden.
14. Schleiermacherstraße, Stadtreparatur mit schließen der Baulücken, sCentral
15. Errichtung eines Stadtmuseums. Hier eine tolle Website dazu.
16. Ertüchtigung (Bar, Kiosk, Cafe, Teich) und bessere Vermarktung Hundertwasserhaus

Weitere Stadtentwicklungsschwerpunkte: 
- Neubebauung Marienplatz
Sanierung Süd- und Nordbahnhof