20100430

NACHKRIEG: Kriegsverluste, Abrisse, Rekonstruktionen in Darmstadt

Wiederaufbau Darmstadt
Kriegsverluste
- 99 % der Altstadt
- hohe bauliche Verluste in der gesamten Stadt
Haus Christiansen, Mathildenhöhe (damit Verlust der Sichtachse)
Altes Palais und Neues Palais
- Palais Rosenhöhe
Ständehaus Darmstadt (Sitz des damaligen hessischen Landtags 1839-1933) am Luisenplatz

Rekos und Wiederaufbauten in Darmstadt

- 1949 trotz einer Abbruch-Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung baut das Land Hessen den Weißen Turm wieder auf.
- 1952 Wiederaufbau der Stadtkirche
- 1953 Das wiedererrichtete Kollegiengebäude wird eröffnet
- 1955 Altes Rathaus wieder aufgebaut
- Wiederaufbau Residenzschloss
- 1984 der alte Pädagog - ehemalige Lateinschule - wieder aufgebaut
- 1986 das Große Haus des Theaters - bis dahin Kriegsruine - wieder errichtet
- 2013 in der Magdalenenstraße 25 entsteht ein historisch angepasstes "Schweifgiebelhaus
- 2014 Dachlandschaft und vieles mehr der Merck-Villa in der Annastraße werden rekonstruiert
- 2023 Rekonstruktion des Ludwig-Tempels in der Albert-Schweitzer-Anlage

Nachkriegsabrisse in Darmstadt
- Abriss Bauten im Carree Schloßgarten-, Lauteschläger- und Pankratiusstraße für Hochschulbauten. Erhaltene Teile des TU-Uhrturms von Pützer werden nach dem Krieg abgetragen.
- 1955 Abräumung der Ruine des Neuen Palais  
- 1958 Abriss der Marstallruine am Mathildenplatz (dafür später neues Justizzentrum)
- frühe 60iger Jahre Abriss Reste Palais Rosenhöhe
- 70iger Jahre Abriss von Altbauten am Kopernikusplatz/Heinheimer Str. für neue Wohnbebauung
- 2022 Abriss sCentral-Gebäude am Herrngarten
MATHILDENHÖHE
- 1958 Abriss Ruine Haus Christiansen auf Mathildenhöhe. Dafür später Aufstellung eines Weltausstellungsbrunnen.
- 2009 Abriss des Kutscher- und Garagenhauses von Joseph Maria Olbrich für modernen Villenbau. Der Abriss auf der Mathildenhöhe im Prinz-Christians-Weg 17 wurde im Darmstädter Echo vom 03.09.11 dokumentiert "Olbrichs Villen sind der Maßstab", Klaus Honold.

Abrisswatch: Die Welterbestadt Darmstadt im Abrissmodus?
Wer heute durch die Darmstädter Innenstadt geht, hat oft den Eindruck, diese Stadt wäre nur 60 Jahre alt und die Erbauer hätten im modernen Einerlei den Kompass für harmonische Stadtbezüge verloren. Zwischen gesichtslosen Neubauten und breiten Verkehrsschneisen, finden sich verloren ein paar stilvolle, geschichtsreiche Gebäude aus alter Zeit. Es sind die letzten Überbleibsel der einst stolzen Residenzstadt. Geradezu verbissen räumte man nach dem Krieg die Reste der Vergangenheit fort, als ob diese am Untergang der Stadt schuld gewesen wäre. Der moderne Wiederaufbau geriet zur fehlgeplanten Farce. Man möchte dieser Stadt und ihren Bewohnern wünschen, dass sie bald wieder ihre städtebauliche Würde, Eleganz und Schönheit wiedergewinnt. Doch das Gegenteil ist der Fall: Während sich die Stadt Darmstadt mit dem Welterbetitel für das Jugendstilensemble auf der Mathildenhöhe schmückt, werden auf der anderen Seite leider immer noch historische Bauten in der Stadt hemmungslos zerstört. Es wird Zeit für ein generelles Umdenken.

scentral am herrngarten darmstadt 2021
Darmstadt hat den Welterbetitel für die Mathildenhöhe erhalten. Die Bürger und die Stadt können auf diese feierliche Nachricht zu Recht stolz sein. Damit wird auch das Engagement um den Erhalt des Jugendstilensembles gewürdigt. Doch an vielen anderen Orten der Stadt herrscht zurzeit ein einzigartiger Zerstörungswahn. So wurde ein charakteristischer Altbau am Rande des Herrngarten, in dem die Drogenhilfe-Einrichtung „Scentral“ (s. Bild) untergebracht ist, 2022 abgerissen. Hier soll ein Neubau für ein Sozial- und Gesundheitszentrum entstehen. Das alte Bestandsgebäude in der Bismarckstraße 3, gegenüber dem Amtsgericht, sah heruntergekommen und verwahrlost aus. Die Stadt hatte das in einer bevorzugten Stadtlage stehende Gebäude offensichtlich nicht richtig gepflegt. Es war eines der wenigen Bauten im Stadtzentrum das den Feuersturm des Bombenkriegs im zweiten Weltkrieg überstanden hatte. Statt das Gebäude instand zu setzen und zu sanieren, wurde von der Stadt die Abrissbirne geschwenkt. Eigentum verpflichtet – insbesondere die Stadt sollte beim Schutz seiner verbliebenen, historischen Bausubstanz ein vorbildliches Handeln zeigen. Die Symbolkraft nach Außen ist nicht zu unterschätzen. Gerade als „grüne Stadt“ muss in Darmstadt das Sanieren immer vor dem Abriss stehen. Im Interesse des Klimaschutzes ist es essenziell, nicht nur an den direkten CO2-Emissionen zu arbeiten, sondern ressourcenschonend auch die „graue Energie“ zu minimieren, die bei Abriss und Neubau vergeudet wird.

Ein weiterer Eingriff in die historische Bausubstanz erfolgt wohl demnächst in der Riedeselstraße unweit des Marienplatzes. Dort war, in einem rückwärtigen Gebäudetrakt der ehemaligen Dragoner-Kaserne von 1827 mit Reitställen, wohl Darmstadts schönster Veranstaltungssaal untergebracht. Doch der ehemals von einem Verlag als „Literarium“ genutzte Saal mit einem eindrucksvollen Säulengang und Gewölbedecke wird wohl bald verschwinden. Das Gelände wurde verkauft und wird von einem Investor mit einer neuen Wohnsiedlung überbaut. Dabei bietet der Gewölbekeller des Literaiums hervorragende Nutzungsmöglichkeiten - z. B. als stilvolle Winebank. 

Völlig unnötig ist auch der geplante Eingriff in das TU Maschinenhaus am Kantplatz. In die schmucke Jugendstilfassade von 1904 will die TU ein neues Portal hineinbrechen lassen. Hier müssen die Stadt und der Denkmalschutz vor Ort tätig werden, um diese unsinnige Stadtzerstörung zu stoppen. Als Stadt mit einem Jugendstil-Weltkulturerbe ist es völlig grotesk ein eingetragenes Baudenkmal mit Jugenstilbezug nachhaltig zu beschädigen. Dabei sollte die Stadt auch immer Bedenken, dass der Welterbetitel kein Selbstläufer ist, sondern eine weitreichende Verpflichtung für den Schutz der Welterbestätte beinhaltet. Die Stadt steht nun unter internationaler Beobachtung. Das Dresdner Elbtal und Liverpool wurden bereits wieder von der Welterbeliste gestrichen. In Liverpool sah die UNESCO den außergewöhnlichen Wert der Stätte durch diverse Bauprojekte beschädigt und in Görlitz warnte die Unesco-Beraterorganisation ICOMOS im Zusammenhang mit der Welterbebewerbung vor einem Abriss der Villen am Postplatz.

TU Maschinenhaus Darmstadt

Darmstadt befindet sich offensichtlich gerade im Abrissmodus. Man kann nur an die Stadt, TU und an private Bauinvestoren appellieren, demütiger und behutsamer mit dem historischen Stadterbe umzugehen. Gerade die Erringung des Welterbetitels sollte zu einem konsequenten Umdenken in der Stadt führen. Auch ökologisch gesehen, stehen die jüngsten Abrisse völlig konträr zum dringend nötigen Ressourcenschutz. Hier wird völlig unnötig die graue Energie der Gebäude vernichtet.

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20100415

Bauerbe Wunschliste: STADTREPARATUR in Darmstadt

Stadt reparieren
WUNSCHLISTE ARCHITEKTUR DARMSTADT (Stand 7.2022)
1. MathildenhöheRekonstruktion Haus Christiansen (dort steht nach Kriegszerstörung nun der Brunnen von Karl Hartung (1958). Ein Museumsbau (Sander) an dieser Stelle kam nach Protesten 2010 nicht zustande. Links: Haus Christiansen, Bilder, Bilder   Sonstige: 
http://www.freunde-der-mathildenhoehe.de/assets/Uploads/Links/MathildenhoeheZusammenfassungFachforum2.pdf
+ Mathildenhöhe: Restaurierung mit Reko Haus Olbrich 
s. auch https://www.freunde-der-mathildenhoehe.de/assets/Uploads/Aktuelles/Resolution-Olbrich-Haus-20170515.pdf
2. Zeitnahe Revitalisierung ehemalige Großherzogliche Landwirtschaftskammer
Das 1914 errichtete Gebäude an der Rheinstrasse 62 wurde vom Architekt Wilhelm Thaler im Neobarock-Stil als Verwaltungsgebäude erbaut. Auf der Balkon-Balustrade des denkmalgeschützten Baus stehen vier Putten von Heinrich Jobst (der z. B. auch den Jobst-Brunnen am Hauptbahnhof errichtete). Nach der Nutzung als Großherzogliche Landwirtschaftskammer wurde das Gebäude ab 1945 dann einige Jahre als Sitz der "Deutschen Regierung des Landes Hessen" genutzt, danach als Zweigstelle des Regierungspräsidiums Darmstadt. Das Gebäude steht (Stand 2022) seit einigen Jahren leer und ist im Privatbesitz eines Kunstsammler-Ehepaares. Es gab wohl Pläne für ein Kunstmuseum oder für ein Hotel.
3. Literarium Erhalt Gewölbe
4. "Bangerts Eck" - um weitere Abrisse zu vermeiden, sollte eine Erhaltungssatzung Martinsviertel beschlossen werden
5. Das Maschinenhaus wurde vor einigen Jahren fachgerecht saniert. Nun sollte es nicht weiter umgebaut werden und kein neuer Eingang am Jugendstilportal TU Maschinenhaus Magdalenenstraße entstehen.
6. Sanierung des Jobst-Brunnens
7. Infoplakette Neue Palais
8. Fassadenrekonstruktion Altes Palais und Städtebauliche Öffnung des Karstadt-Betonriegels in der Luisenstraße.
9. Ludwigs-Tempel Wiedererrichtung
10. Saladin-Eck: Eine Neubebauung mit Rücksicht auf die Nachbarbebauung "Krone" wäre wünschenswert gewesen.   
11. Stadteinfahrt Rheinstraße: Lofts und Stadthäuser auf Parkplatzbrachen an der Rheinstraße
12. AltstadtKleinteilige, altstadtgerechte Bebauung rund um die Stadtkirche. Kleinteilige Verdichtung rund um die Insel und am Alten Pädagog. City-Ring - Verkehrsberuhigung und Rückbau Hügel/Holzstraße
13. "Pützerturm" TU, Rekonstruktion der Turmhaube des Pützerturms
2019 wurde leider statt einer Rekonstruktion ein moderner Glasquader gebaut. Hier sollte unbedingt nachgebessert werden.
14. Schleiermacherstraße, Stadtreparatur mit schließen der Baulücken, sCentral
15. Errichtung eines Stadtmuseums. Hier eine tolle Website dazu.
16. Ertüchtigung (Bar, Kiosk, Cafe, Teich) und bessere Vermarktung Hundertwasserhaus

Weitere Stadtentwicklungsschwerpunkte: 
- Neubebauung Marienplatz
Sanierung Süd- und Nordbahnhof