Als im März 1945 die amerikanischen Truppen in Darmstadt einmarschierten, war die Stadt ein einziges Trümmerfeld. Selbst die Feuerwehrleute konnten ihre eigene Feuerwache in der Kirchstraße nicht vor dem Bombenterror und dem Flammenmeer des Feuersturms schützen und standen vor Ruinen.
Darmstädter Altstadt aus dem Stadtgedächtnis gelöscht
Insgesamt wurden 457 Altstadthäuser zerstört - nur 2 Häuser blieben in der Kernaltstadt unzerstört: Die "Krone" - diese steht heute noch - und das gegenüberliegende "Fuchseck" (ehem. Metzgerei Fuchs) welches in der Nachkriegszeit unnötigerweise weggerissen wurde. Wer heute nach Spuren der verloren gegangenen Altstadt sucht, der muss lange suchen: Lediglich im Altstadtmuseum Hinkelsturm gibt es ein Altstadtmodell, das innerhalb der Öffnungszeiten besichtigt werden kann. Ansonsten ist die Altstadt fast komplett aus dem kollektiven Gedächtnis der Darmstädter ausgelöscht: Es gibt kaum noch Zeitzeugen, die die Altstadt wahrhaftig kennen und selbst Bildmaterial, vor allem aus der Zeit um 1933-1944, gibt es kaum zu sehen. So bleiben ein paar Schnappschüsse aus der Jahrhundertwende, die in den Bildbändern über das "alte Darmstadt" die Altstadt als ein altertümliches arme-Leute-Viertel zeigt, das kaum sehenswert gewesen sei.
Planloser Wiederaufbau
Doch das ist nicht mal die halbe Wahrheit. Natürlich gab es "Schmuddelecken" in der Altstadt, aber es gab in der vormals riesigen Altstadt auch einiges Sehenswerte - was die Aufbaugeneration in der Wirtschaftswunder-Euphorie gerne verdrängte. Die Planer der Nachkriegszeit wollten keine Altstadt mehr und etwas "modernes" schaffen: Heraus kamen weitgehend hässliche TU-Gebäude, zugige Freiflächen und graue, von Anpassungsarchitektur geprägte Bauten. Diese Bauten haben nichts mit der früheren Altstadt zu tun und könnte auch auf der grünen Wiese stehen. Wenn die Institute Feierabend haben, ist auf diesem zentrumsnahen Gebiet ein völlig totes Areal ohne Wohnbebauung, Handel und Gastronomie. Hinzu kommt in der Stadt der ausgebildeten Architekten und Stadtplaner die absolute Planlosigkeit: Statt die modernen Bauten im Rahmen einer einheitlichen Gestaltungssatzung zu errichten, zeigt die heutige Altstadt ein gestalterisches Durcheinander. Das teilweise mangelhaft gestaltete Areal zwischen der Holz- und der Teichhausstraße müsste unbedingt verdichtet werden und die nördliche Seite der Landgraf-Georg Straße eine geschlossene Blockrandbebauung erhalten. In der östlichen Altstadt müsste das Areal kleinteilig rund um die Insel/Niebergall-Brunnen und neben dem Pädagog (dort wo das alte Realgymnasium stand und jetzt eine Grünfläche ist) und bei der Soderstraße kleinteilig, bzw. Altstadtgerecht nachverdichtet werden.
Geschichte und Geschichten rund um die Stadtkirche
Darmstadt bietet in seinem Kern ein unbefriedigendes, städtebauliches Quartier. In anderen Städten bildet die Altstadt die "gute Stube" - denn Zerstörtes wurde wieder aufgebaut. In Darmstadt fehlt dagegen der identitätsstiftende Altstadtflair fast gänzlich. Zumindest die Bauten rund um die Stadtkirche, insbesondere die Kirchstraße hätte man altstadtgerecht wieder aufbauen müssen. Hier spielte das Leben, hier gab es spannende Geschichten wie die um das ungelüftete Geheimnis der Einhorn-Tafel, gastronomische Raritäten wie das Gasthaus Hannibal, das Darmstädter Pfandleihhaus (die heutige Apfelweinstube im Bockshaut war früher Tresor des Pfandleihhauses) und herausragende Persönlichkeiten wie den bekannten Literaturhistoriker und Politiker Georg Gottfried Gervinus und den Jugendstilkünstler Ludwig Habich - die sogar in der altstädtischen Kirchstraße geboren wurden.
Altstadt ins Bewusstsein der Bürger zurückholen
Der etwas verschlafenen Studentenstadt Darmstadt würde eine gestalterische und gastronomische Belebung der Altstadt rund um die Stadtkirche, mit einigen historischen Nachbildungen (siehe Aufbau eines Teiles der Altstadt in Frankfurt/Main), gut tun. Die überkommende Haltung, die verlorene Altstadt ausschließlich mit tristen Bauten der Nachkriegsmoderne zu füllen, hat sich als fataler Irrweg der Stadtplanung erwiesen. Die Ungemütlichkeit der Bauten spiegelt sich oftmals auch im Gewerbemix wieder: Statt kreativer Einzelhandel, sind auch viele Ketten und "Ramschläden" in der heutigen Altstadt zu finden. Leider beschäftigt sich anscheinend auch die heimische Architektur-Fakultät nicht ausreichend mit den historischen Darmstädter Wurzeln - es fehlen die Impulse für die weitere Gestaltung. Fest steht: Die Altstadt mit ihrer Geschichte und ihren Geschichten sollte wieder einen Platz im Bewusstsein der Darmstädter Bürger finden.
Links zur historischen Kirchstraße und Umgebung: Zeitdokument Zwangsarbeit im 2. Weltkrieg, Castan Porzellanhandlung, Kirchstraße 5, historische Einhorn-Apotheke Stadtkirche. Eine gute Übersicht über die Geschichte der Altstadt bietet das Altstadtmuseum im Hinkelsturm. Eine kleine Altstadtchronik:
Insgesamt wurden 457 Altstadthäuser zerstört - nur 2 Häuser blieben in der Kernaltstadt unzerstört: Die "Krone" - diese steht heute noch - und das gegenüberliegende "Fuchseck" (ehem. Metzgerei Fuchs) welches in der Nachkriegszeit unnötigerweise weggerissen wurde. Wer heute nach Spuren der verloren gegangenen Altstadt sucht, der muss lange suchen: Lediglich im Altstadtmuseum Hinkelsturm gibt es ein Altstadtmodell, das innerhalb der Öffnungszeiten besichtigt werden kann. Ansonsten ist die Altstadt fast komplett aus dem kollektiven Gedächtnis der Darmstädter ausgelöscht: Es gibt kaum noch Zeitzeugen, die die Altstadt wahrhaftig kennen und selbst Bildmaterial, vor allem aus der Zeit um 1933-1944, gibt es kaum zu sehen. So bleiben ein paar Schnappschüsse aus der Jahrhundertwende, die in den Bildbändern über das "alte Darmstadt" die Altstadt als ein altertümliches arme-Leute-Viertel zeigt, das kaum sehenswert gewesen sei.
Planloser Wiederaufbau
Doch das ist nicht mal die halbe Wahrheit. Natürlich gab es "Schmuddelecken" in der Altstadt, aber es gab in der vormals riesigen Altstadt auch einiges Sehenswerte - was die Aufbaugeneration in der Wirtschaftswunder-Euphorie gerne verdrängte. Die Planer der Nachkriegszeit wollten keine Altstadt mehr und etwas "modernes" schaffen: Heraus kamen weitgehend hässliche TU-Gebäude, zugige Freiflächen und graue, von Anpassungsarchitektur geprägte Bauten. Diese Bauten haben nichts mit der früheren Altstadt zu tun und könnte auch auf der grünen Wiese stehen. Wenn die Institute Feierabend haben, ist auf diesem zentrumsnahen Gebiet ein völlig totes Areal ohne Wohnbebauung, Handel und Gastronomie. Hinzu kommt in der Stadt der ausgebildeten Architekten und Stadtplaner die absolute Planlosigkeit: Statt die modernen Bauten im Rahmen einer einheitlichen Gestaltungssatzung zu errichten, zeigt die heutige Altstadt ein gestalterisches Durcheinander. Das teilweise mangelhaft gestaltete Areal zwischen der Holz- und der Teichhausstraße müsste unbedingt verdichtet werden und die nördliche Seite der Landgraf-Georg Straße eine geschlossene Blockrandbebauung erhalten. In der östlichen Altstadt müsste das Areal kleinteilig rund um die Insel/Niebergall-Brunnen und neben dem Pädagog (dort wo das alte Realgymnasium stand und jetzt eine Grünfläche ist) und bei der Soderstraße kleinteilig, bzw. Altstadtgerecht nachverdichtet werden.
Geschichte und Geschichten rund um die Stadtkirche
Darmstadt bietet in seinem Kern ein unbefriedigendes, städtebauliches Quartier. In anderen Städten bildet die Altstadt die "gute Stube" - denn Zerstörtes wurde wieder aufgebaut. In Darmstadt fehlt dagegen der identitätsstiftende Altstadtflair fast gänzlich. Zumindest die Bauten rund um die Stadtkirche, insbesondere die Kirchstraße hätte man altstadtgerecht wieder aufbauen müssen. Hier spielte das Leben, hier gab es spannende Geschichten wie die um das ungelüftete Geheimnis der Einhorn-Tafel, gastronomische Raritäten wie das Gasthaus Hannibal, das Darmstädter Pfandleihhaus (die heutige Apfelweinstube im Bockshaut war früher Tresor des Pfandleihhauses) und herausragende Persönlichkeiten wie den bekannten Literaturhistoriker und Politiker Georg Gottfried Gervinus und den Jugendstilkünstler Ludwig Habich - die sogar in der altstädtischen Kirchstraße geboren wurden.
Altstadt ins Bewusstsein der Bürger zurückholen
Der etwas verschlafenen Studentenstadt Darmstadt würde eine gestalterische und gastronomische Belebung der Altstadt rund um die Stadtkirche, mit einigen historischen Nachbildungen (siehe Aufbau eines Teiles der Altstadt in Frankfurt/Main), gut tun. Die überkommende Haltung, die verlorene Altstadt ausschließlich mit tristen Bauten der Nachkriegsmoderne zu füllen, hat sich als fataler Irrweg der Stadtplanung erwiesen. Die Ungemütlichkeit der Bauten spiegelt sich oftmals auch im Gewerbemix wieder: Statt kreativer Einzelhandel, sind auch viele Ketten und "Ramschläden" in der heutigen Altstadt zu finden. Leider beschäftigt sich anscheinend auch die heimische Architektur-Fakultät nicht ausreichend mit den historischen Darmstädter Wurzeln - es fehlen die Impulse für die weitere Gestaltung. Fest steht: Die Altstadt mit ihrer Geschichte und ihren Geschichten sollte wieder einen Platz im Bewusstsein der Darmstädter Bürger finden.
Links zur historischen Kirchstraße und Umgebung: Zeitdokument Zwangsarbeit im 2. Weltkrieg, Castan Porzellanhandlung, Kirchstraße 5, historische Einhorn-Apotheke Stadtkirche. Eine gute Übersicht über die Geschichte der Altstadt bietet das Altstadtmuseum im Hinkelsturm. Eine kleine Altstadtchronik:
1330 Der erste Teil der Stadtmauer wird gebaut (steht heute noch)
1868 Die neugotische Stadtkapelle am Kapellplatz wird erbaut (heute Gedenkstätte)
1878/79 Das alte Realgymnasium wird erbaut (neben dem Alten Pädagog - nicht mehr erhalten)
1885 Durch Abbruch eines Häuserblocks entsteht der Platz die "Insel"
1905 Der Durchbruch der Landgraf-Georg-Straße beeinträchtigt das Altstadtgefüge
1930 Der Niebergallbrunnen mit dem Datterich von Well Habicht wird auf der Insel eingeweiht (Brunnen steht bis heute dort)
30iger Jahre Altstadtsanierungen (u.a. Freilegung Fachwerk Schlossgasse 7)
1945 Die Altstadt ist im Luftkrieg komplett zerstört
Alle Angaben ohne Gewähr. qs